Emmanuel Le Divellec

Con fantasia – Orgelwerke aus dem 18. Jahrhundert und Improvisationen

Im ersten Domkonzert der Saison 2018 machte Emmanuel Le Divellec, Dozent für historische Improvisation an der Schola Cantorum Basiliensis, das Publikum mit den anspruchsvollen Aufgaben eines Organisten des 18. Jahrhunderts vertraut.

Zu diesen gehörte es, improvisierend die feststehenden Teile der Messe oder der Stundengebete musikalisch darzubieten. Zum Auftakt seines Konzertes stellte Le Divellec deshalb einen Teil der Vesper-Liturgie, das Magnificat, aus dem Stegreif musikalisch dar.

Auch beim Choralvorspiel, der häufig improvisierten Bearbeitung eines Kirchenliedes mit dem Zweck, den Gemeindegesang auf das Lied vorzubereiten oder ihn kunstvoll zu begleiten, nahmen sich die Organisten der Barockzeit viele künstlerische Freiheiten heraus. Dabei war es oberstes Ziel, die dem Choral zugrundeliegende Gemütsbewegung, den «Affekt», möglichst präzise wiederzugeben.

Emmanuel Le Divellec bot den Zuhörern in seinem Konzert das seltene Vergnügen, zu einem vom Publikum ausgewählten Choral aus dem Stegreif ein aufwändiges Vorspiel zu gestalten sowie über einen an ihn herangetragenen Affekt eine Fantasie zu improvisieren.

Den ultimativen Beweis seiner Meisterschaft erbrachte der Organist des Barock jedoch mit der Improvisation einer Fuge. Und Emmanuel Le Divellec hat sich mit der Fuge BWV 562 eine wahre Herkulesaufgabe gestellt. Er schreibt selbst: «Die Fuga a 5 bricht nach 27 Takten ab und wirft viele Fragen auf. Hat Bach sein Projekt aufgegeben oder wurde diese Fuge unvollständig überliefert? Das Unterfangen, ein solches Fragment zu ergänzen, ist objektiv gesehen zum Scheitern verurteilt. Ausserdem haben viele Musiker der letzten Dekaden Bachs Werke als heilig und unantastbar betrachtet. Vielleicht darf man dem entgegenhalten, dass die Sichtweise des 18. Jahrhunderts wohl eine andere war: Die Verzierung, Bearbeitung Bach‘scher Werke wird nichts anderes als eine Huldigung an den Meister gewesen sein, als der innigste Wunsch, sich diese Schätze mit Bescheidenheit und Demut, ja sogar manchmal mit Naivität, anzueignen.»